Wie ich zu dem wurde, was ich bin

Wie  ich zu dem wurde, was ich bin
Als Kind fühlte ich mich ständig ängstlich, hatte fast jeden Tag Bauchschmerzen. Zu Hause spielte Alkohol eine  große Rolle. Fast jedes Wochende wurde getrunken und danach verprügelte mein Erzeuger meine Mutter, aber auch oft meinen Bruder. Mich verschonte er als Kind größtenteils, da er mich für sich gewinnen wollte, um ein Druckmittel gegen meine Mutter zu haben. Er sagte oft zu meiner Mutter, dass sie mich nie wieder sehen würde, sollte sie ihn  verlassen. Wir Kinder kannten auch keinen richtigen Kindergeburtstag, denn Freunde durften wir oft nicht einladen. Aber unser Geburtstag wurde ausgiebig mit Alkohol begossen, danach gab es dann wieder die gewaltsamen Eskalationen. Es gab auch ständig Schreiereien und Beschimpfungen auf das Übelste mit allen Schimpfwörtern, die man sich nur vorstellen kann. Weihnachten, Ostern, die Geburtstage unserer Eltern, Familienfeiern, immer das gleiche Spiel: Saufgelage und Prügelei. Immer die gleiche Scheiße. Und bei der gewaltsamen Eskalation wurde auch alles gegeben; Bedrohungen mit Fleischermesser, Schlägerei bis hin zur Intensivstation. Mama verschanzte sich danach oft im Wohnsimmer, drehte die Musik auf, dass man es fast in der ganzen Straße hörte und wir Kinder konnten nicht mehr schlafen und mussten dann übermüdet in die Schule.

In unserem Haus waren fast alle Türen eingeschlagen

Unser Erzeuger schlief ein Stockwerk tiefer. Er kam dann meist wieder hochgestürmt, schlug die Tür ein, denn die hatte sie ja zugesperrt und dann ging die Prügelei wieder von vorne los. Ich lag dann meist im Bett, voller Angst, das Herz schlug mir bis zum Hals und ich wusste nie, ob ich danach ganz alleine da wäre, da ich ständig Angst hatte, dass die Beiden sich tot schlagen. Irgendwann gab es fast keine Türen mehr in unserem Haus, die waren alle von unserem Erzeuger eingeschlagen.

Meine Mutter war zwanghaft und wenn sie die Wohnung geputzt hatte, trauten wir Kinder uns nicht mehr ins Wohnzimmer, denn das war vor allem ihr Reich. Türen, wenn sie denn noch vorhanden waren, mussten wird dann mit den von Pullovern bedeckten Ellenbogen oder Unterarmen aufmachen, damit es keine Fingerabdrücke auf den Knaufen gab. Unsere Schuhe mussten wir immer feinsäuberlich in Reih und Glied stellen, sonst drehte Mama völlig durch. Schulfreunde mit nach Hause bringen war fast unmöglich, ich musste mir dann immer eine Ausrede ausdenken. Als Kind im Dreck spielen, völlig unmöglich. Und wenn man dann doch mal beim Spielen dreckig wurde, dann ging ich zu Oma, aus Angst nach Hause zu gehen. Sie regelte das dann. Als Kind verbrachte ich viel bei Oma, dort konnte man wenigstens Kind sein. Aber wenn unsere Eltern feiern wollten, da konnte man das halbe Dorf einladen, waren ja auch ihre Feten.

Erniedrigungen und Gewalt waren an der Tagesordnung

Typisch war, dass wir Kinder und Mama das trockene Brot, die ranzige Butter und die schmierige Wurst essen durften und unser Erzeuger hat sich die frischen Sachen einverleibt. Ganz typisch war auch, dass mein Erzeuger mich völlig manipulierte, um mich dann gegen Mama und meinen Bruder einzusetzen. Wenn z.B meine Mutter bei ihrer Freundin war, Rainer sie mit mir abholte, sagte er immer zu mir: "Wenn Mama bei ihrer Freundin am rauchen ist, dann hat die Drecksau wieder gesoffen." Schimpfwörter dieser Art waren normal. Und ich wusste, dass Trinkerei darin müdete, dass es wieder zu  gewaltsamen Ausbrüchen seitens meines Erzeugers kommen wird, Mama sich wieder verschanzt,  die Musik aufdreht und die Gewaltspirale sich weiterdreht. Die Nacht wäre also wieder gelaufen und ich müsste den nächsten Tag wieder übermüdet in die Schule gehen. Mein Magen drehte sich dann schon um, mein Herz schlug mir schon wieder bis zum Hals, obwohl wir Mamas Freundin noch nicht erreicht hatten. Typisch war auch, dass alles und jeder nur über das Aussehen  und die Leistung definiert wurde. Jeder, der nicht diesem Bild entsprach, wurde als Assi bezeichnet. Und so wurden wir Kinder immer herausgeputzt, als würden wir auf einem Laufsteg einer Modeshow laufen. Die Haare mussten immer gestylt, gegelt oder mit tonnenweise Haarspray fixiert werden. Oben Igelfrisur, hinten lang. Furchtbar. Ich hasste es wie die Pest. Selbst an meiner Konfirmation musste ich das tragen, was man für mich angedacht hatte - Cowboystiefel. Ich schämte mich in Grund und Boden, wollte in der Kirche am liebsten im Erdboden versinken, denn genau das war dann auch Dorfgespräch. Typisch war auch, dass ich als Kind an Wochenden mucksmäuschenstill morgens bis mittags im Bett lag oder einfach im Zimmer war, da meine Eltern noch am schlafen waren und man sich nicht traute, nur einen Schritt vor das Kinderzimmer zu wagen. Erst als beide aufgestanden waren, traute auch ich mich aus meinem Zimmer. Wochenenden liefen so ab, dass entweder gesoffen wurde oder den ganzen Tag vor der Glotze. Wenn man dann mal was anderes machte, dann doof durch die Gegend fahren, die nächste Kneipe oder Wirtshaus ansteuern und saufen. Highlight war, wenn ich das Wochendende bei meiner geliebten Oma verbringen durfte. Dort war ich gerne. Typisch war auch, dass man verschimpft und erniedrigt wurde, wenn man was falsch machte oder die schuliesche Leistung, die erwaret wurde, nicht erbrachte. Dann hörte man so Dinge wie "du bist so doof, du wirst noch nicht mal Müllmann, du Arschloch, du Drecksau bist zu blöd für alles" und noch vieles mehr. War ich in der Schule mal besser als mein Bruder, wurde ich gegen ihn ausgespielt. War er besser, wurde der Spieß eben umgedreht. Mein Bruder, der 6,5 Jahre älter war als ich, bekam sehr viel Gewalt ab - psychisch als auch physisch. Und mich benutzte unser Erzeuger oft dafür, um meinen Bruder pschsisch zu quälen, denn was mein Bruder nicht durfte, das durfte ich dann. Gefiel mir der Lieblings-Teddy meines Burders, wurde nicht auch einer für mich gekauft, nein, er wurde meinem Bruder einfach abgenommen und mir gegeben. Den traurigen Blick von Torsten bekomme ich mein ganzes Leben nicht mehr  aus meinem Kopf und ich war leider noch zu klein, um das zu verstehen. Heute mach ich mir solche  Vorwürfe, dass ich den Teddy nicht einfach abgelehnt habe und ihn so toll fand. 

Nur Leistung zählte, um jeden Preis 

Ich bekam eher die Gewalt von meiner Mutter zu spüren, wenn ich schulisch nicht das erbringen konnte, was sie von mir erwartete. Wenn ich einen Aufsatz als Hausaufgabe schreiben musste und ich bereits eine Seite oder mehr geschrieben hatte und nur ein Fehler darin war, dann musste ich alles wieder neu schreiben, denn ausradieren oder mit dem Killer verbessern war nicht drin, das sah ja dann nicht mehr gut aus. So verbrachte ich dann teils einen ganzen Nachmittag nur mit dieser einen Aufgabe. Wenn ich dann völlig fertig anfing zu weinen und nicht mehr wollte, bohrte sie mir ihre Fingernägel in den Arm oder kratzte mich, dass ich auch schon mal blutete. Und mein Erzeuger hatte dann nichts besseres auf Lager, als ihr zu raten, dass man das nicht an Stellen macht, die man von außen sehen kann - besser den Hintern grün und blau schlagen, da kann es niemand sehen. Wenn ich in der Schule im Diktat schlechter als eine 3 hatte, traute ich mich nicht mehr nach Hause. Einmal hatte ich eine 4 oder sogar eine 5, sonst eben meist nur 1er und 2er, aber auch 3er, da hatte ich so Angst, dass ich versuchte, Fehler im Nachhinein zu verbessern, damit ich wenigstens auf eine 3 kam. Ergebnis war, dass der Schwindel auffiel, ich einen Tadel bekam und voller Angst zu meiner Oma flüchtete.

Bei Oma fühlte ich mich Zuhause

Meine Beziehung zu meiner Mutter empfand ich als Kind sehr angespannt, mein Erzeuger manipulierte mich, um mich dann gegen meine Mutter und meinen Bruder einzusezten. Meine Beziehung zu meinem Bruder war trotzdem gut, er war mein Beschützer, wenn ich Angst hatte vor den Schlägereien meiner Eltern. Nur wenn mein Bruder an der Reihe war, konnte er mich nicht mehr vor meiner Angst um ihn beschützen und ich war zu klein, um ihm zu helfen. Meine Beziehung zu meiner Oma war sehr gut, sehr liebevoll und ich war am allerliebsten bei ihr. Bei ihr fand ich den Frieden, den ich so sehr gebraucht habe und ein warmes Zuhause.

Meine Rolle bei meinem Vater war das Druckmittel gegen meine Mutter und meinen Bruder, für meine Mutter musste ich vor allem schulische Leistung erbringen und war das Vorzeigekind auf das Aussehen bezogen, genau wie mein Bruder. Hier, das sind meine hübschen Söhne, ich habe so hübsche Kinder. Mehr hat wohl nicht gezählt, so empfinde ich es jedenfalls. Immer nur auf das Aussehen und die Leistung reduziert und vor allem, Patrick sieht aus wie ein Mädchen, darauf war sie ganz stolz. Auch mein Bruder wurde als Kind so herausgeputzt, dass er möglichst aussah wie ein Mädchen - auch mit Spangen in den Haaren. Es gab tatsächlich Männer, die mich als Kind anquatschten und meinten, ich wäre doch ein Mädchen und als Beweis, dass ich doch ein Junge wäre, solle ich mich doch mal unten frei machen. 

Ganz wichtig für mich war meine Oma. Dort durfte und konnte ich so sein, wie ich wollte. Im Dreck spielen, Freunde mitbringen, gut essen, ein liebevolles Zuhause erfahren und einfach mal abschalten, einfach mal Kind sein. Liebevolle Worte hören, in den Arm genommen werden, einfach so und vor allem aber Sicherheit und Beständigkeit erfahren. Sehr wichtig für mich war auch mein Bruder, denn er war immer da, wenn ich Angst hatte. Er verstand es, mich zu beruhigen, mir Sichherheit zu geben. 

Der Tod meines Bruders stürzte mich ins tiefe Loch 

Mein Erzeuger lebt glücklicherweise nicht mehr. Leider ist auch meine Oma 2011 mit stolzen 91 Jahren verstorben. Und an dem Tag, an dem mein Bruder für immer seine Augen geschlossen hat, ist auch in mir ein Teil gestorben. Meine Beziehung zu meiner Mutter ist momentan und die vergangenen Jahre sehr angespannt, auch wenn ich sie das nicht wissen lasse. Ihre Medikamentensucht - sie hat starke Schmerzmittel, die sie auch braucht - und ihre daraus resultierende Art, ihre ständigen Vorhaltungen was sie ja alles schon für mich getan hat, die städnigen Vorhaltungen was ich alles falsch im Leben und meinen Beziehungen gemacht habe und vieles mehr, machen mich mürbe und völlig fertig, lassen mich total verzweifelt, hilflos und wütend, mit Selbsthass, Selbstzweifeln und Selbstvorwürfen zurück und das zu allem Selbsthass und Selbstvorwürfen, die ich eh schon habe. Der Gipfel ist dann, wenn sie mich auch noch mit meinem Erzeuger vergleicht. Ihr das aber klar zu machen, eskaliert meist in einem riesigen Streit.

Was ich mir wünsche? Einfach endlich Frieden in mir. 

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